Andacht zur Mitgliederversamlung 2013

Lieber Vereinsfamilie,


heute wird es wieder so sein: Sie reden und reden und reden. Die Zeit wird voranschreiten. Und es wird immer noch geredet werden. Eigentlich ganz praktisch. Man selbst kann sich entspannt zurück lehnen und muss keine Verantwortung übernehmen für den Lauf der Konversation. Es rauscht. Es plätschert und wenn's gar zu langweilig wird, kann ich meinen Gedanken freien Lauf lassen und mich auf eine kleine Traumreise begeben.

Die Plaudertaschen und Plappermäuler findet man aber nicht nur hier. Meine Schwiegermutter als nicht deutsche Muttersprachlerin bittet mich in regelmäßigen Abständen doch bitte langsamer und nicht so viel zu sprechen. Ist bei der Unterhaltung noch meine Freundin anwesend, fragt sie uns bisweilen, ob wir auch noch atmen zwischen den vielen Worten, die wir von uns geben.

Meine Kinder, bis auf eine Ausnahme, haben für sich – teilweise zum Leidwesen ihrer Eltern – die Sprache entdeckt und stehen dabei ihrer Mutter und Oma in nichts nach. „Mama, Lynni ist wach! Mama, Lynni macht Sandmann neue Windel! Mama, Lynni nicht!" Dies wird nur unterbrochen vom Redeschwall ihres großen Bruders: „Mama, ich habe mir da mal was überlegt, also wenn ich mir gleich ein Seil aus dem Keller hole und du dann...". Man selber kommt da mach mal gar nicht mehr zu Wort.

Bisweilen haben die kindlichen Äußerungen auch wirkliche philosophische Qualität. Im Einblick habe ich ja schon einmal über Robins und mein Gespräch über den abgestorbenen heiligen Geist berichtet. Einer von Robins Lieblingssätzen ist auch: „Damals, als ich noch ein Opa war und beim lieben Gott gewohnt habe, ...", und dann erklärt er mir, wie er mit dem lieben Gott die Dinosaurier gefüttert hat oder warum es früher nur Bier und noch keinen Kaffee gab, ...

„Schon Säuglingen und kleinen Kindern hast du dein Lob in den Mund gelegt, damit sie deine Macht bezeugen!" heißt es im Psalm 8, aber man findet auch den Spruch 10,19: „Wo viele Worte sind, da geht's ohne Sünde nicht ab; wer aber seine Lippe im Zaum hält, ist klug." Dies macht unser aller Verantwortung deutlich: Plapper' nicht einfach drauf los, schwatz' nicht dumm herum, denk' nach, bevor du redest.

Wir Mitglieder des CVJM, wir als Mitarbeiter in Kinder- und Jugendarbeit, wir als Person sind verantwortlich für die uns anvertrauten Menschen. Wir dürfen die Rede nicht missbrauchen, um eigene Zwecke und Ziel zu erreichen, wir dürfen das vertrauensvolle Gespräch nicht dazu benutzen, um jemanden aus zu horchen, wir dürfen nicht durch ein privates Gespräch Interesse heucheln. Im Gegenteil wir haben den Auftrag echt zuzuhören, ein echtes Gespräch zu führen, eine echte Ansprache zu halten. Echte Worte aus Gottes Hand. Das erfordert von mir Arbeit: nicht einfach nachplappern und weiter plaudern, was ich vermeintlich gehört habe.

Und mein Auftrag als Christ geht noch weiter: Ich bin Vorbild für meine Kinder, für die Kinder und Jugendlichen in unserem Verein, in unserer Gemeinde. Ich muss sie begleiten und stärken auf ihrem Weg zum mündigen Bürger. Mündig sein bedeutet auch, verantwortlich und vernünftig reden zu können. Sich verständlich manchen zu können. Viele Jugendliche können dies nicht. Das erlebe ich immer wieder in meiner Arbeit. Das Schreiben und Verfassen z.B. von Bewerbungsunterlagen ist wichtig (und glaubt mir, muss auch dringend geübt werden), aber da gibt es 16/17-jährige junge Menschen, die sich nicht trauen bei einem Unternehmen anzurufen und nach einem Praktikumsplatz zu fragen (auch wenn dies zu einem schulischen Muss zählt), da trauen sich Mädchen nicht vor ihrer Klasse ein Rollenspiel vorzuführen, da versagt einem Schüler bei einer Gruppenpräsentation die Stimme. Die Worte wollen nicht über die Lippen. Es gibt natürlich auch das Gegenteil, der Schüler, der der Ansicht ist, dass Frauen keinen LWK fahren sollten oder die Schülerin die pauschal für alle Vergewaltiger die Todesstrafe fordert und die dies ohne Punkt und Komma verkünden. Wo ist da die verantwortliche und vernünftige Rede?

Wir haben im CVJM Mettmann, hier im neuen Gemeindehaus, die Möglichkeit den jungen Menschen ein zu Hause zu geben, einen Ort an dem sie lernen können, verantwortlich und vernünftig zu reden. Und diese Möglichkeit müssen wir nützen, denn es gibt nicht allzu viele Plätze in unserer Gesellschaft, die dies bieten. Wir alle sind hierbei gefragt, daran mit zu arbeiten und daran zu wachsen: Selbst echt zu reden und echt zuzuhören. Der Pfarrer und Liederdichter Kurt Rommel hat den Text für ein nachdenkliches Lied gedichtet, mit dem ich mit dem Reden enden will:

„Ich rede, wenn ich schweigen sollte, und wenn ich etwas sagen sollte, dann bin ich plötzlich stumm. Ich schweige, wenn ich reden sollte, und wenn ich einmal hören sollte, dann kann ichs plötzlich nicht. Herr, hilf das Rechte sagen. Hilf uns das Gute wagen. Herr, hilf das Rechte tun."

Amen